Äpfel: anders spritzen

Was setzen Bio-Obstbauern ein, um ihre Äpfel vor Schädlingen und Pilzen zu schützen?

Knackig, saftig, fruchtig. Äpfel schmecken nicht nur uns Menschen. Auch die Raupen von Wicklern und Spannern nagen sich gern durch das Fruchtfleisch. Die Apfelblattlaus hingegen saugt lieber Pflanzensaft aus den Blättern. Pilze lassen sich ebenfalls gerne auf Äpfeln nieder. Der Schorf siedelt sich auf den Früchten an, der Mehltau bevorzugt die Blätter.

Das ist nur ein kleiner Auszug aus dem großen Katalog der Apfelschädlinge und -krankheiten. Wie kann man dennoch reichlich Äpfel ernten ganz ohne synthetische Pestizide? In 90 Prozent der konventionellen Äpfel finden sich Rückstände von Pestiziden, oft von mehreren gleichzeitig, bis zu 500-mal mehr Pestizide als in Bio-Obst (nicht nur bei Äpfeln).

Streuobstwiesen und alte Apfelanlagen sind oft mit Hochstämmen, also hohen Apfelbäumen, bepflanzt. Diese Bäume schenken uns ca. 100 Jahre (so alt kann ein guter Apfelbaum werden) lang gute und köstliche Äpfel. Sie wurden von unseren Vorfahren gepflanzt, und wir dürfen sie weiternutzen.  Äpfel dieser Herkunft haben häufig Schorfflecken oder vernarbte Fraßstellen und gelegentlich eine Larve im Kerngehäuse. Viele sagen, dass solche „hässlichen“ Äpfel besser schmecken, als die makellose Früchte im Supermarkt, das doch der einzelne Apfel seine Süße und Vitamine dabei umso intensiver freisetzt.

Bio setzt auf robuste Sorten statt Pflanzenschutzmittel

Schorf ist ein Problem, dass für den Supermarkt bekämpft wird. Er ist eine Pilzkrankheit, der man nur schwer vorbeugen kann. Sie kommt mit nassem und warmem Wetter. Das beste Rezept dagegen ist, Apfelsorten anzubauen, die unempfindlich gegen Schorf sind. Die bekannteste heißt Topaz. Doch diese haben oft andere Empfindlichkeiten. Topaz ist anfällig für Regenfleckenkrankheit, Feuerbrand und Kragenfäule. Santana bekommt leicht Mehltau. Die derzeit von Biobauern bevorzugte Apfelsorte heißt Natyra. Sie bringt einen sehr festen Apfel mit frischem Geschmack, ähnlich wie Braeburn hervor.

Bevor nun aber alle Natyra in ihren Garten setzen, halten Sie kurz inne: es gibt sehr viele Apfelsorten. Auch alte Apfelsorten haben Vorzüge, die ein moderner Apfel unter Umständen nicht erreicht. Lagerfähigkeit ist eine Eigenschaft. Andere sind z.B. sehr früh und köstlich im Rohverzehr, aus anderen kann man das beste Apfelmus machen und der nächste macht sich gut im Kuchen. Wer einen Apfelbaum pflanzen möchte, der in dieser Gegen gut gedeiht und der dazu vielleicht eine Seltenheit ist, sollte sich bei der Baumschule „Pflanzlust“ in Wolfhagen-Nothfelden. Schon deren Homepage bietet so viele verschiedene Apfelbaumsorten an, dass man etwas Zeit damit verbringt. Ein Kauf dort sichert die Biodiversität für unsere Kinder und Umwelt.

Gibt es gefahrlose Spritzmittel?

Um Pilzkrankheiten zu bekämpfen, stehen drei Wirkstoffe zur Verfügung, die miteinander kombiniert oder im eingesetzt werden können. Kupfer, Schwefel und Kalium-Bikarbonat (=Backpulver). Diese drei Wirkstoffe bleiben an der Oberfläche der Früchte und wirken nur dort. Es bleiben also keine Rückstände in der Frucht. Allerdings werden sie vom Regen abgewaschen und von Sonnenstrahlen zersetzt. Deshalb muss man seine Bäume regelmäßig behandeln, um sie vor Pilzen zu schützen. Die Präparate wirken nicht hundertprozentig,  können aber den Befall nur mindern. Zum Anti-Schorfprogramm zählen deshalb auch das Mulchen im Spätherbst oder das Ausbringen eines Hefepräparats. Beides dient dazu, dass das abgefallene Laub und mit ihm die Pilzsporen des Schorfs schnell zersetzt werden.

Kupfer: umstritten, aber unverzichtbar

Kupfer ist ein essenzielles Spurenelement und wirkt in höheren Dosierungen giftig. Es ist ein Schwermetall, das sich im  Boden anreichert und sich negativ auf das Bodenleben, insbesondere auf Regenwürmer, auswirken kann. Bei Bio-Bauern gilt daher Grenzwert von drei Kilogramm je Hektar. Doch auch geringe Kupferkonzentrationen reichern sich über Jahrzehnte hinweg an und werden dann zum Problem.

Eine weitere Krankheit, die Apfelbauern bedroht, ist der Feuerbrand. Ein harmloses Hefepräparat kann helfen, weil es den zuckerliebenden Bakterien den Platz in der Blüte wegnimmt.

Wie Äpfel vor Schädlingen schützen?

Gegen Schädlinge wie Läuse oder den Apfelwickler dürfen auch Hobbygärtner verwenden. Extrakte aus den Kernen des indischen Neem-Baumes wirken gezielt gegen Läuse und andere saugende Insekten, während sie Nützlinge kaum beeinträchtigen.

Gegen den Apfelwickler und seine Raupen hilft eine Kombination von Pheromonfallen die Lockstoffe der weiblichen Schmetterlinge ausstoßen. Das verwirrt die Männchen so sehr, dass sie vor lauter Duft nicht mehr zu den Weibchen finden. Andererseits werden sie von diesen Fallen auch angezogen. Dazu kann ein Spritzmittel aus Granuloseviren verwendet werden. Dieser Erreger greift gezielt nur diese Nachtfalterart an und schädigt keine anderen Insekten.

Bacillus Thuringiensis wirkt spezifisch gegen (alle) Schmetterlinge! Zugelassene Mittel gegen Milben und Läuse sind auch Rapsöl und Schmierseife. Gegen die Apfelsägewespe hilft ein Extrakt aus Quassiaholz, der wohl noch nicht zugelassen ist.

Indikation einer Spritzmittels ist nur ein starker Befall. Damit es gar nicht so weit kommt, setzen Bio-Bauern vor allem auf ein funktionierendes Öko-System. Mit Blühstreifen, Hecken und Nisthilfen fördern sie die Artenvielfalt und damit die natürlichen Feinde der Schädlinge. Spritzungen sind nur die letzte der möglichen Bekämpfungs-Maßnahmen.

 Zuvor sollten 15 Prozent der umgebenden Fläche Gräben, Hecken und Blühstreifen sein. „Die Vielfalt an Pflanzen und Insekten, die dort leben, ist wichtig für das ökologische Gleichgewicht. Gegen die nordische Apfelwanze etwa gibt es kein adäquates Bio-Mittel, da sind wir auf Nützlinge angewiesen.“, sagt ein Bio-Obstbauer.

„Das wichtigste ist ein gesunder Boden“, sagt ein anderer Bio-Obstbauer. Mechanisch und per Hand hackt er das Unkraut zwischen den Bäumen und lässt es als Gründüngung liegen. „Zusätzlich setzen wir noch etwas pflanzlichen Dünger wie Malztreber oder Erbsenschrot ein, um die Nährstoffe zu ersetzen, die mit den Äpfeln den Betrieb verlassen.“ Er verwendet verschiedene Apfelsorten, die nacheinander reifen, um so eine lange Zeit frische Äpfel zu haben. „Für manche Erntezeiten gibt es keine schorfresistenten Sorten.“

Hecken, als Refugium für Vögel und Insekten, sollen die Schädlinge in Schach halten. Einen gewissen Schädlingsbefall sollte man in Kauf nehmen.  Oder essen Sie wirklich jeden Apfel Ihres Baumes? Im Kompost nützt das Fallobst, als Untermischung bei Zweigen und trockenen Stängeln. Es schafft das für die fleißigen Mikroben das feuchte Milieu. 

Gegen die Blutlaus gibt es gar kein zugelassenes Mittel. „Da hilft nur, die befallenen Bäume mit Wasser und Druck abzuspritzen.“

Nicht Spritzen – geht das?

Ohne Pflanzenbehandlung anbauen – wie? Das magische Wort heißt: „Insektenregulierung“. Mit Hecken aus ausgesuchten Büschen (Beispiele siehe hier), Magerrasen am Rand der Obstwiesen und Blühstreifen zwischen den Bäumen haben Forscher (in der Schweiz) beim Anlegen einer Versuchsplantage gezielt ein Paradies für Nützlinge geschaffen. „Obwohl die mehlige Apfelblattlaus im Frühjahr mehrfach über der Schwelle lag, ab der normalerweise ein Bioinsektizid eingesetzt wird, konnten die Nützlinge die Läuse zuverlässig eindämmen und wirtschaftliche Schäden verhindern.“ Auch ist die Vielfalt an Pflanzen und Tieren deutlich größer als in einer herkömmlichen Bio-Anlage. Fledermäuse siedelten sich wieder an, die ja zu unseren Komplizen bei der Insektenvernichtung gehören.

Ein Problem bei den Bio-Bauern sind (noch) Pflanzenkrankheiten. Topaz und Ariwa sind anfällig für die Regenfleckenkrankheit, bei der schwarze Flecken die Äpfel unansehnlich machen. Da wir aber unsere Äpfel nicht verkaufen wollen, können diese Schönheitsfehler vor Obstdiebstahl schützen.

Weiterhin entwickelte sich eine aggressive Schorfart, die sich im letzten Jahr auf den Äpfeln niederließ, gegen die bisher kein Biomittel half.

Noch eins ist wichtig: es gibt „alternierende“ Apfelsorten. Diese tragen alle 2 Jahre reichlich Äpfel, benötigen dazwischen aber ein Ruhejahr. Diesen Rhythmus kann man gerade bei großen Apfelbäumen nutzen und sie nach oder vor dem großen Ertrag etwas stärker zurückzuschneiden. Die Erholung fällt dann nachhaltiger aus bzw. der geminderte Ertrag schont die Kräfte des Baumes und man erhält größere und weniger geschädigte Äpfel.

Quelle: „Äpfel: Bios spritzen anders“ Artikel von Leo Frühschütz, erschienen bei „Schrot & Korn“.